Bild: Wikimedia Foundation

Dieser Artikel geht nur am Rande auf die bekannte Kritik zu Wikipedia ein, denn der Kritikpunkt ist ein neuer und er ist brisant: Der Ausschluss des Geistigen aus der Wikipedia.

Wikipedia selbst geht scheinbar relativ offen mit Kritik um. Es existiert ein langer, ausführlicher Artikel unter ihren eigenen Seiten mit der Überschrift Kritik an Wikipedia. Interessant ist dort das Kapitel Zensur. Sein Inhalt ist nach meiner Auffassung relativ dürftig, denn er bringt jene Realität der Praxis nicht zur Sprache, dass Artikel zu bestimmten Personen, seien es zeitkritische oder spirituelle Persönlichkeiten, mit einseitigen, negativen und verzerrenden Aussagen versehen werden.

Negative Einfärbung eines Artikels ist eine Form der Zensur

Ich halte es für eine Form der Zensur, wenn in einem Artikel Kritik zu einer Person übergebührlich und exzessiv eingebaut wird. Dies ist Praxis in der Wikipedia und die Einträge werden in der Folge durch eine mehrheitliche Anzahl von Editoren regelrecht verteidigt. Der Schwabe würde sagen, dass ein Artikel auf diese Weise ein bestimmtes „G’schmäckle“ bekommt, gewissermaßen eine Einfärbung. Der negative Grundton tritt so in den Vordergrund, dass in der Folge das Lebenswerk, das Wesentliche, das, was eine Person im Leben und dann im nachtodlichen Wirken wirklich ausmacht, erstickt.

Wenn man es nicht selbst erlebt hat, würde man es nicht für möglich halten, wie sich offensichtlich über interne Kommunikationskanäle eine Gruppe von Editoren und Administratoren wie zusammenruft und ganz gezielt zur Tat schreitet: Ein negativ gefärbter Artikel wird gegen Änderungen von Editoren, die um Wahrheit und um ausgewogene Darstellung ringen, auf das Äußerste verteidigt. Die Änderungen werden sofort rückgängig gemacht. Die zusammengerufene Mehrheit wird sich durchsetzen.

Artikel über Sathya Sai Baba

Das Titelfoto des Artikels „Sathya Sai Baba“ in Wikipedia

Beispielsweise wird ein unbefangener Leser des Artikels Sathya Sai Baba (1926–2011) in der deutschen Wikipedia, wenn er denn den Artikel von der Einleitung („Sai Baba war ein indischer Guru“) samt Titelbild („dunkel“ und die Person wie verschattet dargestellt) bis zum Ende des Artikels komplett gelesen hat, gereinigt sein von der Person Sai Babas und sich womöglich und wahrscheinlich auch schnellstmöglich distanzieren. Welcher Leser will sich (wirklich) mit einer Person beschäftigen, die ein Guru, ein Trickser, Finanzverbrecher und Missbrauchstäter ist?

Sai Baba lebte in Indien und vollbrachte ein großes Lebenswerk. In seiner Person lebte authentisch eine spirituelle Kraft.

Artikel über Daniele Ganser

Der Ausschluss des Geistigen in Wikipedia findet nicht nur statt, wenn in Artikeln spirituelle Persönlichkeiten verunglimpfend und beleidigend dargestellt werden, sondern er findet ganz allgemein schon dann statt, wenn die Werte „Wahrheit“ und „Gewaltlosigkeit“1 oder die Würde und Ehre eines Menschen verletzt werden.

Daniele Ganser

Ein Beispiel hierfür ist der Artikel über den Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser in Wikipedia. Es genügt, wenn man von dem Artikel die Einleitung liest und sich anhand der Versionsgeschichte kurz hineinvertieft, wie sich die Worte verändert haben und wie sich schlussendlich die erwähnten Mehrheitsverhältnisse durchsetzen konnten, damit die jetzige Version zustandekommen und bis dato bleiben konnte. Einen schnellen Einblick gewinnt man durch den Vergleich dieser Version vom 7. Oktober 2019, 23:19 Uhr mit der darauffolgenden vom 10. Oktober 2019.

Wenn eine Person mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht wird, ist dies in der Wortbedeutung unserer Tage schon eine Brandmarkung. Es ist jedoch noch ein großer Unterschied, ob eine Person Verschwörungstheorien „aufgreift“ (Version vom 7. Oktober 2019) oder – wie es künftig heißen wird – „verbreitet“. Daniele Ganser wurde außerdem bei der Änderung vom 10. Oktober 2019 in die Kategorie: Vertreter einer Verschwörungstheorie eingeordnet, die ihm bis heute geblieben ist.

Wenn die Würde eines Menschen und damit das Geistige derart verletzt werden, dann ruft dies ein Empfinden von Schmerz hervor.

Was versteht man unter dem Geistigen?

Der Begriff „Geist“ ist anspruchsvoll und trägt eine unendliche Tiefe in sich. Er umfasst fraglos mehr, als gewöhnlich mit dem intellektuellen Denken gemeint ist, wenn man sagt „Mein Geist ist heute etwas verwirrt“ oder wenn in Yogakursen von „Beruhigung des Geistes“ durch Übungen gesprochen wird. In Wirklichkeit ist es nicht der Geist, der sich beruhigt, sondern das unruhige Denken.

Führen wir uns zu der Frage, was der Geist ist, einige Aussagen von Geistforschern der modernen Zeit vor Augen:

Sri Aurobindo (1872–1950) macht mit der folgenden Aussage deutlich, dass es sich beim Geistigen um ein größeres Ganzes handelt. Er spricht von „Übergeist“, dem er eine eigene Seinsebene zugesteht, die größer ist als jene, die der Mensch in der Regel erkennt, und diesen Übergeist möchte Aurobindo herabbringen in das eigene Sein des Menschen:

„Es ist nicht um meiner persönlichen Größe willen, daß ich den Übergeist herabzubringen bestrebt bin. Groß oder klein im menschli­chen Sinne kümmert mich nicht. Ich suche ein Prinzip innerer Wahr­heit, des Lichtes, der Harmonie und des Friedens in das Erdbewußt­sein einzuführen. Ich sehe es oben und weiß, was es ist. Ich fühle es ständig von oben her auf mein Bewußtsein herableuchten, und ich strebe danach, es ihm zu ermöglichen, das ganze Sein in seine eigene, eingeborene Kraft aufzunehmen, statt daß die Natur des Menschen fortfährt, halb im Licht und halb in der Dunkelheit zu verharren.“ 2

Während Sri Aurobindo die Herabkunft des Geistigen in die Natur des Menschen und seine transformierende und verwandelnde Kraft anspricht, beschreibt Rudolf Steiner (1861–1925), Begründer der Anthroposophie, im folgenden Zitat einen anderen wesentlichen Aspekt des Geistigen. Der Geist webt nach Steiners Forschung bereits in allen Dingen, im Mineralischen, im Pflanzlichen, im Tierischen und im Menschen. Der Mensch kann durch eigene geistige Forschung diesen Geist konkret erkennen – wenn er danach sucht und fragt:

„Man nimmt es im Grunde genommen denjenigen recht übel, die nicht nur von dem Geist im allgemeinen sprechen, sondern die von den besonderen Formen, den besonderen Arten des Geistes sprechen, wie er sich hinter dieser oder jener Erscheinung geltend macht. Dennoch aber muß auf dem Boden unserer Geisteswissenschaft nicht nur in so vager, allgemeiner Art von dem Geist gesprochen werden, wie es jetzt angedeutet ist, sondern so, daß wir erkennen: wie webt der Geist hinter dem mineralischen oder pflanzlichen Dasein, wie im tierischen und menschlichen Dasein?“ 3

Heinz Grill (* 1960), spiritueller Lehrer und Begründer des „Neuen Yogawillens“, drückt den Gedanken aus, dass der Mensch den Geist oder die geistigen Wahrheiten anschauen und zu ihnen in Beziehung treten müsse. Er betont, dass das Ringen um höchste Erkenntnis ein mutiger Alleingang sei, der von keiner außenstehenden Instanz ersetzt werden könne. Diese mutige Auseinandersetzung mit dem Geist führe den Menschen zur Befreiung:

„Viele Wege führen zu Erfahrungen in und über die geistige Welt, und so viele Menschen es gibt, so viele Erfahrungen wird es geben. Für ein Individuum wird aber nur ein Weg, der von den anderen verschieden ist und zu einem gewissen Grad auch verschieden sein muss, zu einer wirklichen Befreiung führen. Dies ist der mutige Schritt zur Anschauung der geistigen Wahrheiten und zur Beziehungsaufnahme aus dem eigenen Inneren zu einem größeren Bewusstsein. Eine Befreiung ist nicht durch Passivität, Nachahmung, Anpassung oder durch einen fremden Menschen, eine Institution, ein Sakrament, eine Glaubenslehre, ein Ritual, eine Lebensregel oder durch glückliche Zufälle möglich, sie ist nur durch den eigenen mutigen Kampf und eine Liebe zu diesem im Ringen um das reine Bewusstsein und um die reine Erkenntnis und höchste Identität möglich. Die Befreiung ist ohne Mut in der Individualität undenkbar.“ 4

Ich empfehle, diese drei Aussagen über das Geistige nicht nur zu lesen, sondern sie ganz im Sinne dieser Website in die Meditation zu nehmen:

  • Setzen Sie sich mit aufgerichtetem Rücken an einen ruhigen Ort und wählen Sie nur den Gedanken eines Autors aus.
  • Denken Sie nun den Text wie außerhalb von sich, also zum Beispiel vor der Stirn oder an die gegenüberliegende Wand geschrieben.
  • Erschaffen Sie also den Text denkend in den Raum hinein und erhalten Sie diese konzentrierte Aktivität für etwa 10 Minuten aufrecht.
  • Achten Sie auf stille Empfindungen, die in Zusammenhang mit dem betrachteten Inhalt entstehen.
  • Bleiben Sie am besten 3 Tage bei einem Text, bevor Sie zu einem nächsten weitergehen.

Die Texte dieser Geistforscher sind aus der tiefsten authentischen Anschauung zum Geiste geboren. Die Geistforscher wissen um das, was sie in Worten ausdrücken und es lebt dadurch in diesem Wissen eine vornehme „Hoheit“. Da es nicht nur intellektuelles Wissen ist, sondern „Offenbarungen – in der Meditation entsprossen“ (Rudolf Steiner),5 lebt in ihnen ein Feuer und eine verwandelnde Kraft. Gibt sich der Mensch in der Meditation diesen Gedanken hin, begegnet er einem „lebendigen“ Wort, das in ihm Erkenntnisse über das verborgene Geistige erschaffen kann.

Wenn der Mensch mit dem Text, mit dem Wort arbeitet, arbeitet gleichermaßen das Wort an ihm. Machen Sie diese Erfahrung, indem Sie die Aussagen dieser drei spirituellen Persönlichkeiten in die Konzentration und Meditation zu nehmen. Stellen Sie sich während der Übung die übergeordnete Frage: „Was ist das Geistige?“

Schlussbemerkung

Mit diesen Gedanken soll Teil 1 der Erörterung zum Abschluss kommen. Im Teil 2 gehe ich auf eine unvergleichbare Löschaktion von Zitaten und Fotos von Heinz Grill in der Wikipedia ein. Es wurden quasi über Nacht komplette Artikel, die im Fachbereich des Yoga über einen Zeitraum von 5 ½ Jahren für die Wikipedia verfasst worden waren, im wahrsten Sinne des Wortes inhaltlich auseinandergerissen, man könnte auch sagen zerschossen, entwürdigt. Begründet wurde es damit, dass ein „nichtwissenschaftlicher Schwurbler“ (O-Ton Wikipedia, gemeint war Heinz Grill) keinen Platz in der Wikipedia hat.

_______________

Fußnoten:

  1. Es gibt offensichtliche Gewalt im Wort und verborgenere, beispielsweise wenn die Worte manipulierend in den Willen des Anderen eingreifen. Gewalt im Wort kann sich auch durch beigemischte Gefühle zeigen, die auf den Anderen projiziert werden. ↩︎
  2. Sri Aurobindo: Der integrale Yoga. Rowohlt Taschenbuch, 1957, S. 21. ↩︎
  3. Rudolf Steiner: Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins. GA 60. 2. Auflage. Rudolf Steiner Verlag Dornach. 1983, S. 157 f. (online) ↩︎
  4. Heinz Grill: Verborgene Konstellationen der Seele. 2. Auflage. Lammers-Koll-Verlag, 2007, S. 124. ↩︎
  5. Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1992, S. 38 f. (online) ↩︎

Quelle Bilder: Wikimedia Foundation, AuroraWiki und Wikimedia Commons